Woran erkennt man ein tierliebes Land?

Der Begriff "tierlieb" wird ständig in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet. Was verbirgt sich dahinter und was macht ein tierliebes Land aus?

Bild von Beverly Lussier auf Pixabay 

Was bedeutet eigentlich "tierlieb"?

Wer regelmäßig auf die PLUTO-Seite auf Facebook geht, wird relativ häufig dem Wort "tierlieb" begegnen.

Der Begriff wird von unseren Freiwilligen meistens dann verwendet, wenn jemand sich in irgendeiner Form um das Wohlergehen eines herrenlosen Tieres gekümmert hat oder plant, dies zu tun.

Aber ist diese Person wirklich tierlieb im wortwörtlichen Sinne, d.h. liebt sie Tiere generell oder eher nur Hunde oder Katzen?

Oft kommt die „Tierliebe“ noch selektiver zum Ausdruck, wie es PLUTO Mitarbeiter häufig im Tierschutzalltag speziell mit Hunden erleben. Während der Hund als Haustier große Liebe erfährt, lebt der Wachhund derselben Familie unter teils erschreckenden Bedingungen.

Oder betrachten wir uns einmal selber. Hält uns unsere emotionale Bindung an ein Haustier beispielsweise davon ab, 

  • Tiere als Nahrungsquelle zu betrachten?
  • mit Kindern oder Enkelkindern in den Zoo oder den Zirkus zu gehen?
  • im Urlaub touristische Attraktionen anzuschauen, in deren Mittelpunkt Tiere stehen? 

Analysieren wir unsere Beziehung unter diesen erweiterten Kriterien würden sich wahrscheinlich die wenigsten als tierlieb bezeichnen können. Der tierliebe Mensch scheint eher ein Mythos zu sein.

Anzahl Haustiere sagt wenig über Tierliebe der Bevölkerung aus

Auf der Immobilien-Website „ThinkSpain“ erschien vor einigen Jahren ein Artikel mit der Überschrift: "Tierliebendes Spanien besitzt 20 Millionen Haustiere: mehr Hund und Katzen pro Haushalt als Kinder" (wortwörtlich übersetzt).

In dem Artikel wird aus der Anzahl der Haustiere in Spanien abgeleitet, dass es sich um ein tierliebes Land handeln muss.
 
Dies ist sicherlich eine leichtfertige Schlussfolgerung, denn die Anzahl der Haustiere sagt nichts darüber aus, wie diese von den einzelnen Tierhaltern behandelt werden.
 
Aus unserer Tierschutzpraxis wissen wir, dass die "Tierliebe" in manchen spanischen Haushalten spätestens dann aufhört, wenn 

  • Welpen und Kätzchen grösser werden und nicht mehr ganz so niedlich sind
  • Haustiere krank werden oder
  • unerwünschter Nachwuchs ansteht.

So erfahren wir mehr über den Stellenwert von Tieren in einem Land

Wer einen Eindruck von der Tierfreundlichkeit eines Landes bekommen möchte, sollte eher auf Informationen wie diese zugreifen:

  • Gesetzliche Anerkennung von Tieren als fühlende Wesen
  • Verbot jeder Art von Tierquälerei
  • Integration internationaler Standards in die nationale Gesetzgebung
  • Veröffentlichung von Jahresberichten zum aktuellen Stand des Tierschutzes im Land
  • Integration von Tierschutzthemen in das Lehrprogramm von Primär- und Sekundärschulen
  • Pro-Kopf-Fleischverbrauch
  • Anzahl ausgesetzter Tiere

Mit einer derart differenzierten Betrachtungsweise, basierend auf einer Vielzahl von Indikatoren, ginge man der Gefahr aus dem Weg, sich von weitgehend subjektiven, persönlichen Eindrücken leiten zu lassen.

Es wäre der Versuch, eine von Emotionen bestimmte Diskussion zu versachlichen.

Objektive Informationen liegen kaum vor

Leider liegen uns nur sehr wenige „objektive“ Daten vor, die uns bei der Beurteilung der „Tierliebe“ eines Landes  helfen würden.

Dies erklärt sich vermutlich daraus, dass

  • es sehr aufwendig wäre, diese Informationen zu erfassen und
  • diesem Aufwand kein nennenswerter wirtschaftlicher Nutzen gegenüberstünde.

Denn warum wissen wir beispielsweise relativ viel über die Art und Anzahl von Haustieren in Europa?  

Es besteht in diesem Fall ein handfestes wirtschaftliches Interesse der Futtermittelindustrie und anderer Industrien und Dienstleister!

Oder warum gibt es umfangreiche Informationen zur Fleischproduktion und dem Fleischkonsum in einzelnen Ländern?

Auch hier geht es sicherlich nicht darum, festzustellen, ob wir zunehmend zu Vegetariern oder gar Veganern werden.

Aber zumindest zum gesetzlichen Schutz von Tieren wissen wir mehr dank einer aktuellen Studie, an der eine Vielzahl von Experten mitwirkten.
 

Wie es weltweit um den Schutz von Tieren bestellt ist

Im Rahmen eine Studie von  Worldanimalprotection.org, die sich auf eine systematische Befragung von Experten aus vielen Ländern stützt, wurde der gesetzliche Schutz von Tieren jeder Art in 50 Ländern bewertet.

Einige interessante Ergebnisse:

  • Keines der untersuchten Länder erhält die Höchstnote A
  • Der Tierschutzstandard in Europa ist besser als auf anderen Kontinenten
  • Den besten Schutz erfahren Tiere in Österreich und Schweden.
  • Rumänien hat den niedrigsten Tierschutzstandard unter den untersuchten EU-Mitgliedsländern
  • Auch Frankreich, Italien und Spanien schützen Tiere vergleichsweise schlecht.

Vermutlich wird jeder deutscher Tierfreund, der in Spanien vor Ort im Tierschutz arbeitet, zunächst empört reagieren, wenn Deutschland und Spanien von Experten in einen Topf geworfen werden.

Wie lässt sich die Diskrepanz zwischen unserer persönlichen Wahrnehmung und der Meinung von Experten erklären?

Eine Erklärung vorab:

  • Die Experten betrachten nicht nur den Schutz von Haustieren, sondern jeder Art Tiere.

Vergleicht man ausschließlich den Schutz von Haustieren, ergibt sich ein etwas anderes Ergebnis: 

  • Spanien nimmt zusammen mit Frankreich und Italien die letzten drei Plätze ein.
  • Deutschland wird zwar besser als diese Länder bewertet, liegt aber hinter Großbritannien, Österreich, Polen, Schweden und der Schweiz.