Hundefutter aus der Fabrik - wie alles begann

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Wer sich näher mit industriellem Hundefutter beschäftigt, stellt fest, dass es viele spannende Geschichten zu dem Thema zu erzählen gibt.

Aber was noch wichtiger ist:

die Entwicklung der kommerziellen Herstellung von Hundefutter spiegelt die Entwicklung unsere Beziehung zum Hund wieder.

Alle diese Geschichten zu erzählen, könnte ein Buch füllen.

Da dies ein Newsletter und kein Sachbuch ist und auch nicht zu lang werden sollte, müssen wir uns thematisch einschränken.

Was liegt da nicht näher, als sich einem Produkt zu widmen, das ganz am Anfang der „Haustierfutter-Geschichte" steht:

  • der Hundekeks.

Was ich esse, kann auch mein Hund fressen!

Menschen haben sich zwar seit Jahrtausenden mit Hunden umgeben, aber diese wurden in den meisten Fällen als Nutztiere angesehen.

Die Vorstellung, Hunde als Mitglied der Familie und engen Freund anzusehen, war der Masse der Menschheit vermutlich völlig fremd.

Die Hunde, die in der Umgebung von Menschen lebten, wurden mit Essenresten versorgt, soweit sie nicht selber für ihre Nahrung sorgen mussten.

Nur reiche Familien dürften in der Lage gewesen sein, Fleisch zu verfüttern.

Daran, Fertigprodukte für seinen Liebling zu kaufen, war natürlich nicht zu denken. Denn es gab diese Produkte damals nicht.

Aber dieses sollte sich in der 2.Hälfte des 19.Jahrhunderts ändern.

Wie alles begann – das erste industrielle Hundefutter

Wen man den Autoren, die sich mit dem Thema „industrielles Tierfutter“ im Detail beschäftigt haben, Glauben schenken will, begann die Ära des kommerziellen Hundefutters im Jahr 1860.

Ein Amerikaner namens James Spratt, der sich auf Geschäftsreise in England aufhielt, beobachtete, wie Seeleute im Hafen Liverpools Hunden alte Kekse zuwarfen.

Diese wurden von den Tieren begierig gefressen. Spratt hatte eine zündende Idee:

Warum nicht Hundekekse kommerziell produzieren und an Hundehalter verkaufen!

Es ist nicht überliefert, ob James Spratt ein Tierliebhaber war. Wir wissen allerdings, dass er von der Ausbildung her Elektriker war und nach England gereist war, um Blitzableiter zu verkaufen.

Spratt gründete wenig später aufgrund seiner in Liverpool entstandenen Geschäftsidee eine Firma in London und begann damit, Hundekekse backen zu lassen.

Diese Kekse ähnelten denen, die die Seeleute über Bord geworfen hatten und bestanden aus einer Mischung von

  • Weizenmehl
  • Gemüse
  • Roter Bete und
  • Fleisch.

Der Hundekeks hat Erfolg

Augenscheinlich muss es genug Nachfrage gegeben haben, denn bereits in den 1870er Jahren wurde die Produktion in den USA aufgenommen.

Und um 1900 entstand in London die damals vermutlich größte Hundefutterfabrik der Welt. Sie produzierte übrigens nicht nur Hundekekse, sondern auch Kekse für britische Soldaten, die in Südafrika während des Burenkrieges (1899–1902) im Einsatz waren.

Das im 2.Weltkrieg stark beschädigte Fabrikgebäude wurde ab Mitte der 1980er Jahre einer neuen Verwendung zugeführt, als in ihm komfortable, vermutlich sehr teure Wohnungen entstanden.

In Deutschland begann das Geschäft mit Hundekeksen und verwandten Produkten etwas später als in England und den USA. Die ersten Hundekuchen dürften Anfang der 1880er Jahre in Hannover von der Deutschen Hundekuchen-Fabrik gebacken geworden sein.

Zu den in diesem Jahrzehnt hergestellten Produkten des Unternehmens zählten u.a. der „Deutsche Vereins-Hundekuchen“ für Hunde aller Rassen, aber auch ein „Leberthrankuchen“ und Nahrungsmittel für andere Haustiere sowie Nutztiere.

Der älteste noch existierende deutsche Hersteller von Hundekuchen ist in Baden-Württemberg ansässig. Sein Gründer:

der Wirt des Gasthofes Hirsch in Untertürkheim.

Der Erfolg des Kleinunternehmers war in den ersten Jahren eher bescheiden. Aber ab Anfang des 20.Jahrhundert ging es schnell aufwärts, wie wir auf der Website des heutigen Unternehmens lesen können:

„Mit zunehmendem Erfolg musste die Produktionsstätte schon bald erweitert werden, was dazu führte, dass 1910 ein kompletter Neubau in (..) Stuttgart-Untertürkheim entstand. Dieser Neubau umfasste 1200qm Produktionsfläche. Bei der Trocknung der Produkte benutzte man modernste dampfbetriebene Geräte und eine steingemauerte Trockenkammer.“

Der amerikanische Urvater des Hundekekses war auch bald in Deutschland vertreten, wie man einem Artikel aus einer Berliner Tageszeitung vom 10.7.1896 entnehmen kann. Anlässlich der Berliner Gewerbeausstellung 1896 „Fahrrad und Jagd“ stellt ein deutscher Produzent u.a. Hundefutterprodukte vor, die auf dem Patent von Spratt beruhen.

Hundekekse sind zunächst ein Produkt für „ausgewählte Kreise“

Die vorliegenden Quellen lassen den Schluss zu, dass zunächst Hundekekse und verwandte Produkte von wohlhabenden Menschen sowie von Institutionen, die viele Hunde beschäftigen, gekauft wurden.

Spratt bewarb in England "englische Gentlemen", die sich den höheren Preis leisten konnten.

In den USA zielte seine Werbung auf gesundheitsbewusste Tierhalter sowie solche, die an Hundeshows teilnahmen, ab. Er schaltete zudem Anzeigen im Journal des Vereins für reinrassige Hunde.

In Deutschland war der Kundenkreis des Hundegebäcks ähnlich wie in Großbritannien und den USA.

Der erste deutsche Hundekuchenfabrikant arbeitete unter anderem "eng mit dem Verein zur Veredelung der Hunderassen zusammen und konnte zahlreiche namhafte Persönlichkeiten für die Bewerbung der Produkte gewinnen“.

Zu den Hauptkunden der Manufaktur in Stuttgart zählten Anfang des 20.Jahrhunderts

  • das "königliche Hofjagdamt,
  • die königliche tierärztliche Hochschule,
  • die Polizei und
  • die Hunde der Feldschützen, sowie
  • verschiedene Wachhunde der damaligen Industriebetriebe in der Umgebung“.

100 Jahre später ist Hundefutter ein Massenprodukt

Was mit James Spratt 1860 in England begann und zunächst nur die gutbetuchten Gesellschaftskreise interessierte, ist heute ein weltweites Geschäft.

Denn allein in Europa werden aktuell etwa 110 Mio. Katzen und 89 Millionen Hunde als Haustiere gehalten (Quelle: FEDIAF). Hinzu kommen in den USA fast 77 Millionen Hunde und über 58 Millionen Katzen (Quelle: AVMA).

Und auch in anderen Ländern kommt man zunehmend „auf den Hund und die Katze".

Mister Spratt hatte vor 160 Jahren eindeutig den „richtigen Riecher".